Kinder-Kirchen-Konferenz EVLKS

5 Thesen für die Arbeit mit Kindern

Ihr müsst euch ändern und wie die Kinder werden. Nur so könnt ihr ins Himmelreich kommen.
Matthäus 18

2018 wurde vom Landeskirchenamt eine Kinder-Kirchen-Konferenz eingesetzt. Ziel der Konferenz war es, die gemeindliche Arbeit mit Kindern in unserer Landeskirche eingehend zu beleuchten, unterschiedliche Perspektiven und Arbeitsfelder miteinander ins Gespräch zu bringen, wichtige Fragestellungen festzuhalten sowie in einem anregenden Grundsatztext und entsprechende fachliche Anregungen Impulse zu geben. Diese sollten dann einen breiten landeskirchlichen Diskurs über unser Selbstverständnis in der kirchgemeindlichen Arbeit mit Kindern anregen. Dazu wurden 5 Thesen entwickelt, die nun vorliegen. Margret Leidenberger (KBZ Dresden) und Martina Hergt (Arbeitsstelle Kirchenmusik) haben in der Konferenz die kirchenmusikalische Perspektive eingetragen.

Dass die kirchenmusikalische Arbeit mit Kindern, genau wie weitere Bereiche der kirchgemeindlichen Arbeit, besonderen Herausforderungen und sehr dynamischen Veränderungsprozessen unterliegt, steht außer Frage. Nichts ist selbstverständlich. Wer mit Kindern arbeitet, so wie viele Kirchenmusiker:innen oder ehrenamtliche Kinderchorleiter:innen in unseren Kirchgemeinden in Sachsen, unterliegt der besonderen Sorge um eine selbstkritische Reflektion seines Umgangs, seiner musikalischen und sozialen Lernziele, seiner Vermittlungsformen von geistlichen Impulsen und seinem Gemeindebild mit Kinder- und Familienbezogenen Angeboten. Wir müssen uns neu hinterfragen, welches Bild wir in der Arbeit mit dem Kinderchor, insbesondere zu einem liturgischen Amt der „Kurrende“ im Jahr 2023 haben und dieses (natürlich auch klingend) in das Gemeindeleben und in die Gemeindegremien einschreiben. Welche Kinder haben Zugang zu unseren Angeboten, welche sind durch bestimmte Faktoren ausgeschlossen? Wie und wo werden unsere Angebote sichtbar? Wie werden die Bedürfnisse von Kindern und Familien gehört und in kirchenmusikalische Entscheidungen einbezogen?
Die vorliegenden 5 Thesen können dabei ein guter Gesprächsfaden zum Austausch mit Kolleg:innen, in Gemeindegruppen- und Gremien oder in Ehrenamtsteams eines musikalischen Kinderprojektes sein.
Hilfreich könnte dieser Austausch auch auf Grundlage der Konzeption Kirchenmusik der 28. Landessynode der EVKS sein.

Martina Hergt, Fachbeauftragte für Chor- und Singarbeit

Ansprechpartner:innen für einen Austausch sind: Kantorin Margret Leidenberger (margret.leidenberger@evlks.de), Kantorin Katharina Reibiger (katharina.reibiger@evlks.de) und die Fachbeauftragte für Chor- und Singarbeit in der Arbeitsstelle Kirchenmusik. Wir freuen uns auf Resonanzen, Rückmeldungen und Impulse unter musik@evlks.de oder im persönlichen Kontakt.


[1] aus der Hinführung der Textausgabe unter www.evlks.de

THESE 1 Alle Kinder sind von Gott geliebt und uns anvertraut.

Viele Kinder[1] leben in zunehmenden materiellem Überfluss und Wohlstand. Zugleich sind in Deutschland ca. 21 % aller Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren von materieller Armut bedroht. [2] Gleichzeitig leben Kinder inmitten weiter voranschreitender gesellschaftlicher Individualisierungsprozesse, die oft mit der Erfahrung emotionaler Verarmung einhergeht. Vor allem ist sichtbar, dass Lebensräume von Kindern sich weiter institutionalisieren. In Kinderkrippe, Kindergarten, Hort sowie in Schule werden Kinder begleitet und betreut. Stark prägend für Kinder ist die hohe Präsenz digitaler Medien in allen ihren Lebensbereichen.
Kindheit ist auch gefährdet durch Gewalt von Erwachsenen. Kinder werden als Konsumenten umworben. Kinder nehmen kulturelle und religiöse Veränderungen aufgrund verstärkter Migration in der Gesellschaft wahr bzw. sind Teil davon.

In unserer Kirche gilt: Alle Kinder sind von Gott geliebt und uns als Kirche und Gemeinde anvertraut.
„Alle Kinder“ bedeutet: Kinder aus verschiedenen Milieus mit unterschiedlichen Bildungschancen, aus unterschiedlichen Lebenswelten und Lebensräumen, mit Benachteiligungen, Kinder aus dem Stadtteil, dem Dorf, dem Sozialraum, getauft oder ungetauft. Dabei unterliegt das „Bild vom Kind“ einem permanenten historischen Wandel.

Gemeinden und deren Mitarbeitende sind gefordert, die Lebenswelten von Kindern beständig und sorgfältig wahrzunehmen. Die Wahrnehmungen sind theologisch, pädagogisch und soziologisch zu reflektieren, um angemessene Schritte gehen zu können.

[1] Die Thesen orientieren sich bezüglich der Begriffsbestimmung von „Kind“ am Sozialgesetzbuch. Dort ist benannt:  Kind ist, wer noch nicht 14 Jahre alt ist. (§ 7 SGB VIII Begriffsbestimmungen).
[2] 291_2020_BST_Facsheet_Kinderarmut_SGB-II_Daten__ID967.pdf (bertelsmann-stiftung.de)

Fragen – Impulse zu These 1

THESE 2 Kinder glauben und feiern Gottesdienst – sie sind Kirche.

„Bist Du glücklich?“, fragte Astrid Lindgren bei ihrer ersten Begegnung vor vielen Jahren die kleine Tochter ihres Herausgebers. Mit ihren Geschichten von Pippi Langstrumpf hat Astrid Lindgren erzählt, was der Perspektivwechsel heißt, den das Evangelium von Jesus Christus meint. Bist Du glücklich? Das fragen wir auch als Kirche und wollen alles dafür tun, dass Kinder in unseren Gemeinden, in ihrer Kirche das finden, was sie für ihr Wohl und ihr Heil suchen: ihr Glück.

Auf Grundlage der biblischen Menschenbilder und der von Jesus demonstrativ in die Mitte geholten Kinder (Markus  10,14) ist es Auftrag von Kirche, sich für die Bedürfnisse von Kindern in Kirche und Gesellschaft einzubringen. Wir sehen Kinder mit den Augen Jesu als auf Vertrauen angewiesene, bedürftige Menschen, die aus diesem Vertrauen heraus ihre eigenen Wege zu Gott suchen und dabei unsere Begleitung brauchen. Deshalb müssen Kinder nicht erst in die Kirchgemeinde der Erwachsenen „hineinwachsen“, wie manchmal zu hören ist, sondern es ist unter uns zu erinnern: mit dem Geschenk der Taufe sind Kinder vollwertige Glieder der Gemeinde. Unsere Kirche ist auch die Kirche der Kinder.
Eltern, Paten und die Gemeinde übernehmen die Aufgabe, Kinder auf ihrem Glaubensweg zu begleiten. Kinder haben Anspruch auf religiöse Bildung und eigene gottesdienstliche Formen.

Gemeindliche Arbeit in vielfältigen Formen nimmt diesen Anspruch auf. Kinder sollen ihre ihnen gemäße theologische Fähigkeit und Spiritualität entdecken und entwickeln können. Gemäß ihrem Alter, Wissen und Glauben deuten sie die Welt als gleichwertige Glieder der Gemeinde und feiern Gottesdienst in ihnen entsprechenden Formen.
Die Herausforderung und Aufgabe für die Gemeindeleitung sowie für ehren- und hauptamtlich Mitarbeitende besteht darin, Kinder mit ihrer theologischen Kompetenz, ihren Fragen und ihren Bedürfnissen in der Gemeinde wahrzunehmen, respektvoll aufzunehmen, ihnen Teilhabe und Teilnahme zu ermöglichen.

Fragen – Impulse zu These 2

THESE 3 Kinder leben in Familie – Gemeindliche Arbeit mit Kindern ist Arbeit mit Familien.

Jedes Kind ist in der Regel Teil einer, oder mehrerer Familien. Kinder leben in unterschiedlichen Familienformen. Viele Kinder haben Brüche in ihren Familien zu bewältigen. Der Anteil alleinerziehender Eltern wird immer größer. Jede Familie hat ihre eigene Geschichte, eigene Rituale und Religiosität. Familien sind wichtige Bildungsorte für Kinder und prägen deren Entwicklung und Religiosität. Gemeindliche Arbeit mit Kindern stärkt Persönlichkeit und Beziehungsfähigkeit der Kinder in enger Erziehungspartnerschaft mit Eltern, Großeltern, ihrer weiteren Familie.

Gemeindepädagogische und kirchenmusikalische Arbeit kann Familien Hilfestellung und Unterstützung geben, damit diese ihre individuelle Familien-Religiosität finden bzw. diese gestärkt wird. Dabei gilt es, die Sprachfähigkeit des eigenen Glaubens und die Entwicklung der Gottesbilder in den Familien zu stärken. Das persönliche Gespräch, die Beziehung zu Eltern, Seelsorge an Eltern durch Mitarbeitende braucht Zeit und Gelegenheit.

Kirchgemeindliche Arbeit kann Familien über verschiedene Generationen hinweg stärken und inkludiert Familien in gottesdienstliche Vollzüge.

Fragen – Impulse zu These 3

THESE 4 Kinder erleben und entdecken Kirche mit allen Sinnen und wollen mitgestalten.

Kinder sind in den Kirchgemeinden selten in Entscheidungsprozesse eingebunden. Kinder haben eigene Formen sich auszudrücken. Kinder fühlen sich wohler, angenommen und beachtet, wenn sie mitentscheiden und selbst entdecken dürfen und sollen. Beteiligung ermöglicht Kindern, dass Gemeinde „meine/unsere Gemeinde“ oder Glauben „mein/unser Glauben“ wird. Beteiligung braucht immer Freiheit und Grenzen, sowie Kompetenzen und Wissen. Geschützte Erfahrungsorte für das Einüben von Beteiligung sind insbesondere die Familie, die Kindertagesstätte, die Schule, die Gemeindegruppe und die Freizeitgruppe. Kinder sollten entsprechend ihrer Entwicklung an den Dingen, die sie betreffen, beteiligt werden. Gleichzeitig müssen sie vor Überforderung geschützt werden. Deshalb ist zu beachten:

  • Teilhabe und Teilnahme von Kindern ist eine pädagogische Aufgabe und benötigt fachliche Qualifikation von Mitarbeitenden;
  • Beteiligung geschieht in Form von gemeinsamer Gestaltung und Mitbestimmung;
  • Beteiligung erfordert einen geeigneten Rahmen und geschützte Räume in denen der Entwicklungsstand und die Kompetenzen der Kinder sowie das Format der Veranstaltung beachtet werden;
  • Beteiligung von Kindern heißt nicht, sie zu instrumentalisieren.

Fragen – Impulse zu These 4

THESE 5 Kinder wollen und brauchen in ihrer Gemeinde eigene Verantwortung, Ämter, Dienste und Aufgaben.

Ämter in Gemeinde und Landeskirche sind von Erwachsenen besetzt. Gleichwohl können Aufgaben, Mandate, geistliche Dienste auch Kindern in unserer Kirche zugesprochen und von ihnen ausgefüllt werden. Eine entsprechende Kultur ist dafür in Gemeinde und Kirche zu fördern.

Kinder sollten Räume bekommen, in denen sie ihre Ämter, Dienste und Aufgaben nicht nur nach Maßgabe von Erwachsenen sondern selbstverantwortlich füllen.
Kinder gestalten in ihren Ämtern, Diensten und Aufgaben ihre Kirche und tragen ihre Erfahrungen, ihr Wissen, ihre Sprache in unsere Kirchenwirklichkeit ein.

Der Austausch über die Vorstellung einer Amt-, Dienst- und Aufgabenausübung muss mit Kindern ernsthaft und zugewandt geführt werden. Gleichwohl braucht es pädagogische Begleitung und einen verantwortlichen Rahmen, in dem Kinder ein Amt, ein Dienst, eine Aufgabe ausfüllen, z. B. über Inhalte, Zuständigkeiten, Regionen, zeitliche Befristung, Einbindung in ein Team

Fragen – Impulse zu These 5

Praxisentwürfe

zu den 5 Thesen zur gemeindlichen Arbeit mit Kindern im Raum der Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens

erarbeitet von Theologisch Pädagogischen Institut Moritzburg (erstellt von Uwe Hahn)
Download-Angebot

Hinführung

Oberlandeskirchenrat Burkhart Pilz

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